Sprunginnovationen

„Bildung ist
die Mutter aller
Innovationen!“

Die Weltpolitik brodelt, die Wirtschaft 
lahmt und die Stimmung ist düster. 
Dabei könnten die aktuellen Krisen eine 
echte Chance für Deutschland und Europa sein, um innovativer und stärker zu werden. Das sagt Rafael Laguna de la Vera, 
Chef der Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND.

Interview: Axel Novak

Sprunginnovationen

„Bildung ist
die Mutter aller
Innovationen!“

Die Weltpolitik brodelt, die Wirtschaft 
lahmt und die Stimmung ist düster. 
Dabei könnten die aktuellen Krisen eine 
echte Chance für Deutschland und Europa sein, um innovativer und stärker zu werden. Das sagt Rafael Laguna de la Vera, 
Chef der Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND.

Interview: Axel Novak


Ein regelrechter Kulturkampf gegen die Freiheit der Wissenschaft scheint in den USA vor sich zu gehen. Kommen jetzt die Intellektuellen und Forschenden zu uns?

Erinnerung ist nicht das Gleiche wie Geschichte. Wie nach innen verspiegelt ist der erste Raum der Ausstellung mit Bronzepappen verhängt, die aussehen wie die bronzene Glasfassade des DDR-Palasts. Mit weißen Stiften können die Besucherinnen und Besucher ihre Assoziationen aufschreiben. 

Sind die vielen aktuellen Krisen nicht Hindernisse für Innovationen?

Im Gegenteil. Die Bedrohung für uns wird realer, die Welt wird von politisch unberechenbaren Akteuren auseinandergenommen. Das ist ein enormer Druck. Aus dieser Situation kommt man tatsächlich nur mit Innovationen he­raus. Da muss man sozusagen aus allen Rohren feuern.

Ein Grund, warum Gründerinnen und Gründer in die USA gehen, ist der leichtere Zugang zu Investoren.

In Deutschland hat sich in dieser Hinsicht schon einiges getan. Es gibt Venture Capital, und die Frühfinanzierung funktioniert. Für die späteren Phasen der Start-ups und ihre Skalierung haben wir bei SPRIND Formate entwickelt, um die von uns unterstützten Teams mit Kapitalgebern für das weitere Wachstum zusammenzubringen.

Die USA haben 1958 die Innovations­agentur DARPA gegründet, die heute über ein gewaltiges Budget von 4,4 Milliarden US-Dollar verfügt. Wie sieht das bei SPRIND aus?

Die DARPA hat das Internet, GPS und viele andere Sprunginnovationen mitfinanziert, bevor diese sich selbst wirtschaftlich tragen konnten. Wir wollen ähnlich vorgehen. Seit ihrer Gründung 2019 ist das Budget der SPRIND stetig gewachsen, 2025 liegt es bei 250 Millionen Euro. Um jedoch wie die DARPA arbeiten zu können, bräuchten wir 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Das Geld wäre übrigens gut angelegt. Wenn in einigen Jahren ein Unicorn nach dem anderen entsteht, haben wir enorme volkswirtschaftliche Werte geschaffen.

Oft heißt es, die Bürokratie lähmt Europa. Wie geht SPRIND damit um?

Die Bundesregierung hat uns 2023 mit dem SPRIND-Freiheitsgesetz viel Freiheit gegeben. Wir können jetzt schneller und finanziell flexibler agieren. Wer zum Beispiel an einem unserer Wettbewerbe teilnimmt, erhält drei Wochen nach Bewerbungsschluss eine zugesagte Finanzierung. Bei anderen Fördereinrichtungen dauert es gerne einmal anderthalb Jahre. Wir sind mittlerweile in vielem so schnell, dass sogar andere Länder uns um Rat fragen.

Wie erkennen Sie eigentlich eine echte Innovation?

Bei SPRIND sind wir auf der Suche nach Sprunginnovationen, die unser Leben verändern, weil sie einen neuen Markt oder ein völlig neues Ökosystem begründen oder eine große Frage beantworten. Das Problem ist: Innovationen selbst kann man nicht erkennen, nur das Innovationspotenzial. Wir schreiben deshalb Wettbewerbe aus, um gezielt nach Lösungen für große Herausforderungen zu suchen – sogenannte Challenges. Wir legen Meilensteine fest und stellen Geld bereit, damit mehrere Teams mit unterschiedlichen Herangehensweisen um den besten Lösungsweg konkurrieren können. Außerdem kann sich bei uns jeder mit einem Projekt bewerben. Insgesamt wurden bisher mehr als 2200 Projekte eingereicht. Über die Jahre haben wir einen Katalog mit 90 erprobten Kriterien aufgebaut. Dieser Katalog darf allerdings nicht zu eng ausgelegt werden. Sprunginnovatoren sind oft ein bisschen verrückt und widersprechen der Schullehre.

Wir müssen 
früh ansetzen. Bildung ist die Mutter aller Sprunginnovationen.
Rafael Laguna de la vera

Sie betonen öfter den Begriff Technologieoffenheit. Ist das nicht ein anderes Wort für Verzettelung? Statt sich auf eine Lösung zu konzentrieren, fließt viel Geld in Verfahren, die sich möglicherweise nicht lohnen.

Diese Balance muss man finden. Engen wir das Lösungsfeld zu früh ein, verfehlen wir vielleicht die beste Lösung. Ein Beispiel ist die Energieversorgung. Oft heißt es, dass wir unseren Energiebedarf mit Solarenergie, Wind- und Wasserkraft decken sollten. Aber wird das künftig reichen? Unser Energiebedarf ist riesig und birgt viele Risiken: Da ist zum einen der Flächenbedarf der erneuerbaren Energiequellen, und da sind zum anderen die Umweltzerstörungen für die notwendigen Ressourcen. Deshalb unterstützen wir zum Beispiel zwei unterschiedliche Projekte zur laserbasierten Kernfusion: die beiden Start-ups Focused Energy und Marvel Fusion. Dieses Verfahren ist so faszinierend, weil es Technologiestränge zusammenbringt, die bisher noch nicht miteinander verbunden wurden. Wir bleiben offen für die technologisch beste Lösung. Wenn wir dann einmal grüne Energie im Überschuss haben, lösen wir damit nicht nur die Energiefrage, sondern auch viele andere drängende Probleme.

Sie wollen Lust auf Innovation in Deutschland machen: Lässt sich Innovationsfähigkeit erlernen?

Wir müssen früh ansetzen, denn Bildung ist die Mutter aller Sprunginnovationen. Aber Menschen sind von Natur aus neugierig, und Innovationen gibt es in jedem Alter. Horst Bendix war 90 Jahre alt, als er uns seine Berechnungen und Ideen für den Bau eines Höhenwindrades vorstellte, das wir derzeit bauen. Und die Entwicklerinnen einer Redox-Flow-Batterie waren zwei 18-jährige Mädchen.

Unternehmenskultur in den USA bedeutet, dass Scheitern akzeptiert wird. Hierzulande gilt das als Cha­rakterschwäche – zu Recht?

Man könnte sagen, dass die SPRIND Challenge eine Art „institutionelles Scheitern“ ist. Von den mehr als 50 Teams, die sich pro Challenge bewerben, laden wir etwa 10 bis 20 ein, damit sie vor einer Jury pitchen. Die Hälfte davon scheitert, die andere Hälfte erhält Geld und Unterstützung und steht nach einem Jahr erneut vor der Jury, wo wiederum mehrere Teams planmäßig „ausscheiden“. Es ist also normal, dass einige scheitern – an unseren Ansprüchen und nicht, weil sie schlecht sind. Aus meiner Sicht ist der größte Fehler, den wir beim Innovieren begehen können, Scheitern um jeden Preis vermeiden zu wollen.

Axel Novak ist freier Journalist in Berlin und Brandenburg. Er glaubt, dass Technik unser Leben besser, aber nicht einfacher macht.

Axel Novak ist freier Journalist in Berlin und Brandenburg. Er glaubt, dass Technik unser Leben besser, aber nicht einfacher macht.

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