Zwischenruf

Neutralität garantiert
keine Freiheit

Ein Zwischenruf für eine liberale Kulturpolitik

Text: Lorenz Deutsch

Zwischenruf

Neutralität
garantiert
keine Freiheit

Ein Zwischenruf für eine
liberale Kulturpolitik

Text: Lorenz Deutsch


Kulturpolitik findet in der politischen Arena statt, stets im Spannungsfeld von künstlerischer Eigenlogik und ­gesellschaftlicher Funktion. Was kann dann eine belastbare Konzeption für eine spezifisch liberale Kulturpolitik sein?

Kunst ist Ausdruck individueller Frei­heit und besonderes Übungsfeld für Pluralismus und Vielfalt, und ist gerade in dieser Funktion vor Zensur und staatlicher Einflussnahme zu schützen. Der Staat garantiert also die Freiheit, schafft so Freiräume der kreativen Entfaltung und Innovation und für kulturelle Teilhabe. Kulturförderung hat für Liberale in diesen beiden Dimensionen ihre Legitimation: Einerseits als Unterstützung dessen, was ohne diese Förderung nicht entstehen könnte, aber gesellschaftlich bereichernd wirkt. Und andererseits als Erfahrungs- und Erlebnisraum für Menschen, der alltägliche Wahrnehmungsmuster übersteigt und Alternativen erlebbar macht. Kulturelle Bildung hat hier ihre vornehmste Aufgabe.

Aus dieser Positionierung ergibt sich auch die Abgrenzung zu anderen politischen Konzeptionen von Kulturpolitik, seien es die konservativen und nationalbewussten Leitkulturvorstellungen oder die Instrumentalisierungen im Dienste sozialer Erziehung. Liberale Kulturpolitik wird dagegen immer kulturelle Vielfalt und die Freiheit der Kunst gegen jede Tendenz zur Zensur oder politischen Einflussnahme schützen.

Angriffe auf die Kunst

In dieser Schutzfunktion liegt auch der Kern der zentralen Debatten unserer Tage. Viele sehen die Freiheit der Kunst bedroht, von links wie von rechts, und für beides gibt es Beispiele. In dieser Debatte hat sich jüngst prominent der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer positioniert. In einem Beitrag für die „SZ“ hat er linke und rechte Identitätspolitiken in gleicher Weise zur Bedrohung erklärt. Auffällig war, dass dem bei Amtsantritt als rechter Kulturkämpfer verdächtigten Minister sehr viel mehr zur linken Bedrohung in Deutschland einfällt. Auf der rechten Seite bemüht er allein internationale Beispiele des „Neo-Nationalismus“, besonders in den USA.

Die immer manifester werdenden Angriffe auf die Institutionen und Akteure der Kunst vonseiten der AfD scheinen seine Wahrnehmungsschwelle noch nicht überschritten zu haben. Sein Plädoyer für die Freiheit der Kunst scheint diese Freiheit als eine Form der politischen Neutralität zu begreifen, die insbesondere für die Kulturpolitik gelte: „Der Staat kann daher als Mäzen auftreten, sollte sich aber inhaltlicher Einmischung enthalten.“ Vom paternalistischen Bild des Staates als Mäzen abgesehen, geht es aus liberaler Perspektive aber auch grundsätzlich um mehr in der Kulturpolitik als nur um neutrales Fördern.

Es geht auch um die Stützung und Verteidigung der Werte unserer liberalen, demokratischen Gesellschaft. Und es ist wohl kein Alarmismus, wenn man aktuell festhält, dass die institutionellen Bedrohungen in der politischen Arena von der Alternative von Rechts drohen! Ja, Kulturpolitik soll Künstlerinnen und Künstlern nichts vorschreiben, aber politische Neutralität ist keine Option. Denn Freiheit ist kein gegebener Nullpunkt, sie ist stets zu verteidigender Standpunkt.

Lorenz Deutsch ist Germanist, Leiter der Theodor-Heuss-Akademie und FDP-Kulturpolitiker. Seit 2023 ist er Vorsitzender des Kulturrates NRW.

 Lorenz Deutsch ist Germanist, Leiter der Theodor-Heuss-Akademie und FDP-Kulturpolitiker. Seit 2023 ist er Vorsitzender des Kulturrates NRW.

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